Modernisierung: Preisschock für Mieter in Köln-Riehl


Ein Artikel des Kölner Stadt-Anzeigers von Tim Attenberger und Dirk Riße  

Als Werner Eggerts Vermieter ankündigte, das Haus in Riehl zu modernisieren, in dem der 63-Jährige lebt, ahnte er zunächst nicht, was auf ihn zukommen würde. In einem Brief wurde ihm schließlich mitgeteilt, dass die Miete für seine 48 Quadratmeter große Wohnung durch seine Beteiligung an den Gesamtkosten der Baumaßnahme voraussichtlich von 430 Euro auf 748 Euro steigen wird – eine Erhöhung um 74 Prozent. Die Nachbarn in der Immobilie an der Stammheimer Straße 34-36 erhielten ähnliche Briefe mit ebenfalls teils erheblichen Mietsteigerungen. Einige wohnen seit Jahrzehnten in dem Haus.

„Derart drastische Erhöhungen werden kein Einzelfall bleiben“, fürchtet Jürgen Becher vom Kölner Mieterverein. Weil ein Viertel des Kölner Wohnungsbestandes – 115.000 Wohnungen – in den kommenden Jahren energetisch saniert werden müsste, könnten solche Preiserhöhungen viele Haushalte treffen.

Das Haus in Riehl mit 24 Wohnungen gehört einem dänischen Unternehmer, der Direktor und Vorstand von 21 Immobilienfirmen ist, die fast alle ähnliche Namen tragen. Er lässt sich per Generalvollmacht von einer Düsseldorfer Hausverwaltung vertreten. Beide wollten sich gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ nicht äußern. Der Eigentümer teilte den Mietern mit, an der Fassade und am Dach eine Wärmedämmung anzubringen, die Heizungsanlage auszutauschen, in den Badezimmern Lüfter einzubauen, die Wohnungstüren zu erneuern, Balkone zu montieren und den Außenbereich zu verschönern.

Da es sich vor allem um eine energetische Modernisierung und eine Erhöhung des Wohnwertes handele, müssten sich die Mieter mit elf Prozent an den Kosten beteiligen, hieß es in dem Schreiben. „Hier ist seit Jahren nicht viel passiert, was die Instandhaltung angeht“, sagt Werner Eggert. Er vermute hinter der energetischen Modernisierung eine versteckte Sanierung.

Die Gentrifizierungsgegner der Initiative Recht auf Stadt haben nun vor dem Gebäude gegen die Erhöhung demonstriert.
Die Aktivisten betrachten das Vorhaben als Maßnahme, um die alten Mieter loszuwerden, damit neue, zahlungskräftigere einziehen können. „Riehl ist mittlerweile attraktiv, also geht es hier ganz klar um Verdrängung“, sagt ein Mitglied von Recht auf Stadt. Ob die Beteiligung der Mieter an der Modernisierung rechtens ist, kann erst nach Abschluss der Arbeiten geprüft werden. Einige sind wegen der angekündigten Preissteigerung bereits ausgezogen.

„Das ist gefühlter Mietwucher, der allerdings juristisch völlig korrekt ist“, sagt Becher vom Kölner Mieterverein. Schließlich erlaube Paragraf 559 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Vermietern bei energetischen Modernisierungsmaßnahmen die Kosten um elf Prozent auf die Mieter umzulegen. Becher glaubt zwar, dass viele Vermieter ihre Mieter nur mäßig belasten werden. Wenn aber nur ein Teil der Immobilienbesitzer die Preise stark erhöhe, verschärfe sich die angespannte Lage auf dem Kölner Wohnungsmarkt weiter. Weniger solvente Mieter könnten dann aus Vierteln wie Sülz und der Südstadt verdrängt werden.

Schuld daran sei auch, dass sich Investoren wie der dänische Unternehmer kräftige Preiserhöhungen leisten könnten, weil günstiger Wohnraum auf dem Kölner Markt knapp sei. Laut Wohnungsamt ist die Anzahl der Sozialwohnungen seit 1994 von 100.000 auf 40.000 gesunken.

In anderen Städten wird die energetische Modernisierung älterer Häuser bereits gezielt eingesetzt, um die Mieten drastisch zu erhöhen. Nach Auskunft des Hamburger Mietervereins etwa sind Verdrei- und Vervierfachungen in der Hansestadt üblich.
Früher seien Mieter etwa durch gewollte Lärmbelästigungen oder aufwendige Umbaumaßnahmen aus Wohnungen vertrieben worden, sagt der Vorsitzende Eckard Pahlke. „Heute dienen Modernisierungen als legale Mieterverdrängung.“

Thomas Tewes, Hauptgeschäftsführer des Haus- und Grundbesitzervereins, verteidigt die Regelung. Investitionen in die Wärmedämmung seien politisch gewollt und die Eigentümer der Immobilien dürften nicht auf den Kosten sitzen bleiben. „Man sollte keine Maßnahmen treffen, die den Markt für Investoren unattraktiv machen.“ Schlimmstenfalls würden Investoren einen Bogen um Köln machen. „Und das in einer Situation, in der eigentlich 4000 bis 5000 neue Wohnungen pro Jahr neu gebaut werden müssten.“

Mieterproteste gab es auch bei einer Modernisierung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GAG: 27 denkmalgeschützte Häuser mit 247 Wohnungen am Höninger Weg sowie am Zollstockgürtel erhalten für rund 15 Millionen Euro Zentralheizungen, neue Bäder sowie wärmegedämmte Fassaden und Fenster. Auf die Bewohner kommen Mieterhöhungen von bis zu 60 Prozent zu. „Maximal wird die Miete aber um drei Euro pro Quadratmeter steigen“, sichert GAG-Sprecher Jörg Fleischer zu.

Denn die GAG will nicht alle Kosten der Modernisierung an die Mieter weitergeben: Von dem umlagefähigen Kostenanteil in Höhe von etwa sechs Millionen Euro berechne man den Bewohnern höchstens dreieinhalb Millionen. Sein Unternehmen wolle außerdem mit den Mietern nach „individuellen Lösungen“ suchen, wenn sich finanzielle Härten ergäben, so Fleischer.

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